Flora von Deutschland.


Herausgegeben von den Professoren

Dr. D. F. L. v. Schlechtendal, Dr. L. E Langethal

und Dr. Ernst Schenk, akademischer Zeichnenlehrer in Jena.


Fünfte Auflage.

Revidirt, verbessert und nach den neueren wissenschaftlichen

Erfahrungen bereichert von

Dr. Ernst Hallier.

Professor der Botanik an der Universität Jena.

Colorit und Neuzeichnungen von G. Pabst und Walther Müller in Gera.

Elfter Band

Familie 38: Ranunculaceae.

Gera-Untermhaus 1882.

Verlag von Fr. Engen Köhler.

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268. Paeonia2) L.

2) Schon bei Theophrast und Plinius mit diesem Namen bezeichnet.

Schläuche meist 5; Blättchen der doppelt dreizähligen Blätter ganz; Wurzeläste rübenförmig, gegliedert ästig, sitzend oder kurzgestielt:

1089. P. corallina Retzius.

Schläuche 2—3; Blättchen der doppelt dreizähligen Blätter zwei- his dreispaltig, mit ungetheilten oder zwei- bis dreispaltigen Abschnitten; Wurzeläste zu länglichen Knollen verdickt, meist langgestielt:

1090. P. peregrina Miller.



1089. Paeonia corallina Retzius.

Korallen – Bauerrose. Puthähnchen. Pfingstrose.

Syn. P. officinalis (beta). L.

Das dauernde, kräftige, ungegliederte Rhizom entsendet nach unten einen Büschel rübenfönnig-spindeliger, gegliedert ästiger, sitzender und kurz gestielter Wurzeln, nach oben mehre ganz einfache, kräftige, aufrechte, über federkieldicke, beblätterte Stengel, welche am Ende eine einzige grosse Blüthe tragen; Blätter doppelt dreizählig, rückseits weisslich lauchgrün; Blättchen länglich-lanzettlich, ungetheilt, ganzrandig, das endständige am Grunde keilig.

Beschreibung: Der knollige Wurzelstock sieht einer kleinen, länglichen Kartoffel ähnlich. Von ihm gehen mehre strangförmige Wurzeln ans, die sich in Gestalt langer, dünner Eüben verdicken. Die Pflanze bildet einen aufrechten, 2 bis 3 fuss hohen, starren, kahlen und oft unverästelten Stengel, welcher doppelt-dreizählige, schlaffe Blätter trägt, deren längliche Blättchen sich dadurch vor P. officinalis auszeichnen, dass sie auf der Rückseite meergrüne Färbung besitzen und sich nicht in Lappen oder Zähne spalten. Die Endblättchen sind 3, 4 und auch 6 Zoll lang, verschmälem sich nach der Basis keilförmig, die Seitenblättchen sind gewöhnlich kürzer und alle verlaufen in ein kurzes Stielchen. Die verkehrt eiförmigen Kronenblätter messen 2 Zoll, die Fruchtchen sind während der Blüthe aurrecht, aber schon durch ihre spiralig gebogenen Narben ausgezeichnet; nach der Blüthe stehen sie völlig wagrecht ab und messen l Zoll. Man findet 3 bis 5 Früchtchen und die Samenkörner sind korallenroth. Diese Species gehört dem südlichen Europa an und daselbst findet man auch die Abart Paeonia promiscua, die man auch als Species aufführt. Diese unterscheidet sich von P, corallina durch den behaarten Stengel, dessen Haare vorzüglich nach oben hin dicht stehen, durch behaarte, oberseits graugrüne, etwas runzelige, unterseits weissgraue Blätter. Uebrigens wird sie ebenso hoch, hat gleichfalls schlaffe Blätter, sehr früh blühende Blumen, spiralig gebogene Narben,

filzige Fruchtknoten, welche als Kapseln wagrecht abstehen. Gewöhnlich findet man indessen nur 2—3 Früchtchen in der Blume.

Vorkommen: In felsigen Gebirgswaldungen. Im Gebiet nur auf dem Müllersberg am Kugelbach bei Reichenhall im Salzburgischen. Verwildert auch in Oesterreich, Krain, Tirol.

Üebrigens zerstreut durch das südliche Europa: Spanien, Italien, Sardinien, Dalmatien, Griechenland.

Blüthezeit: April, Mai.

Anwendung: Die Wirkung beider Varietäten ist ganz dieselbe wie bei P. officinalis; die Knollen enthalten nämlich nebst Stärkemehl, Schleimzucker und bitterem Extractivstoff noch einen narkotisch-scharfen Stoff, der sich hier in beträchtlicherer Menge als bei P. officinalis finden soll, aber sich beim Trocknen ebenso sehr wie dort verliert. Die reifen Samen reiht man als Perlenschnüre auf, um Kindern das Zahnen zu erleichtern. Die Pflanze ist ein allgemein verbreitetes Ziergewächs in Gärten.

Formen: Sie variirt mit rückseits kahlen und flaum-haarigen Blättern.

Abbildungen. Tafel 1089. ABC Theile der Pflanze in ½ der nat. Grösse; l Frucht, nat. Grösse.


1090. Paeonia peregrina Miller.

Langwurzelige Bauerrose. Puthähnchen. Gichtrose. Pfingstrose.

Syn. P. officinalis Mertens und Koch. P. peregrina Mertens und Koch. P. rosea Host. P. bannatica Reichenbach. P. humilis Retzius.

Der vorigen sehr ähnlich. Wurzeln zu langen, spindelförmigen, nicht gegliederten, nieist lauggestielten Knollen verdickt; Blätter doppelt dreizählig, rückseits weisslich lauchgrün, mit zwei- bis dreispaltigen Blättchen und ganzen oder zwei- bis dreispaltigen Abschnitten; Stengel ganz einfach und einblüthig; Früchte 2—3, vom Grund an steif abstehend.

Beschreibung: Die wesentlichen Kennzeichen dieser Species bestehen: l) in der Lage der Balgkapseln, denn diese sind weder wagrecht abstehend, wie bei Paeonia corallina, noch aufrecht gerichtet, wie bei P. officinalis; 2) in der Art der Spaltung und Färbung der Fiedern, indem diese (wenigstens theilweise) gespalten vorkommen, also nicht ganz sind, wie bei P. peregrina, dazu auch unterseits hecht- oder weissgrün sind, wodurch sich ein Unterschied von P. officinalis ergiebt. Dazu kommt nun noch, dass diese Species etwas früher als P. officinalis blüht, meistens auch etwas niedriger ist. Einige ziehen indessen P. officinalis als fünfte Form auch zu dieser Species und schreiben ihre Abweichung einem fetteren Wüchse zu, was nicht wohl anzunehmen ist, indem P. officinalis völlig verwildert an einer mageren Kalkbergwand 2 Stunden von Jena vorkommt.

Vorkommen: In Gebirgswaldungen. Im Littorale auf dem Karst, in Innerkram, im Canton Tessin auf dem Monte generoso; im Canton Bern bei Schwarzenegg unweit Thun verwildert.

Blüthezeit: Mai, Juni.

Anwendung: Wie bei P. officinalis L.

Formen: Man hat folgende Varietäten unter diese Species vereinigt:

a) Paeonia lobata Desf. Die Fiederblätter sind fiedertheilig und haben meistens 5 längliche Fiederlappen, von welchen die oberen 3 zusammenfliessen.

b) Paeonia pubens Sims. Die Fiederblätter sind tief dreitheilig, fast dreizählig und die Lappen lanzettlich- verlängert.

c) Paeonia bannatica Koch. Die seitlichen Fliedern sind ganz, nur die endständige ist zwei- bis dreitheilig, Lappen und Fiedern sind länglich-lanzettlich.

d) Paeonia peregrina DC. Die Fiedem sind fast sämmtlich zwei- bis dreispaltig.


Ferner gehört nach allen neueren Forschern auch die P. officinalis L. (e. p.), P. officinalis auct. hierher.

Beschreibung: Der Wurzelstock zeichnet sich durch die zahlreichen, länglichen, perlenschnurartig sich verdünnenden und bald wieder an Stärke zunehmenden, oft auch verästelten Knollenfasem aus, die äusserlich braun, innerlich weiss sind, oft bis 6 Zoll lang, nicht aber über 1 ½ Zoll dick werden. Zuweilen verdickt sich ein faseriger Arm des Stockes dreimal. Die krautigen Stengel bilden bald einen

Busch, sind rundlich, stumpf eckig, grün, kahl, etwas starr und bedecken, indem gemeinlich sich mehre aus dem mehrköpfigen Stock erheben, einige Quadratfusse Landes. Jeder Stengel wird gemeinlich l—2 fuss hoch, ist nach oben etwas ästig und hat am Grunde einige rothe Scheiden. Die Blätter sind 1 ½ —2 Fuss lang, haben lange, rundliche, rinnige Stiele und sind mit dem Stengel durch keine Gelenke verbunden. Wegen der mehrmaligen Theilung des Blattstieles in drei Theile, wodurch das Blatt scheinbar wiederholt dreizählig wird, erreichen sie auch eine bedeutende Breite. Die Schnitt- oder Fiederblättchen messen mehre Zoll, haben ein ziemlich derbes Parenchym, sind, bis auf das Endblättchen, welches dreilappig ist, ganz und ganzrandig, oben kahl und glänzend, unten sehr fein behaart. Am Gipfel des Stengels und der Aeste entwickelt sich die schöne grosse Blüthe von 4—5 Zoll Durchmesser, mit 5—8 und im Culturzustande mit vielen verkehrt-eirunden, dunkelrothen Kronenblättern, welche im Knospenzustande von 2 äusseren und 3 inneren hellgrünen und röthlich angelaufenen Kelchblättern bedeckt werden und mit ihnen eine fast kugelige Knospe bilden. Letzte bleiben auch nach der Blüthe noch stehen.

Die 2 oder 3 Fruchtknoten sind anfangs aufrecht, später stehen sie ab und biegen sich rückwärts; die Staubfäden sind pfriemenförmig und hellroth, die Beutel länglich und gelb, die Narben roth. Die innen rothen Balgkapseln tragen mehre schwarze, erbsengrosse Samen.

Vorkommen: Diese Form ist aus P. peregrina Miller durch Cultur in Gärten entstanden, kommt aber an den Abhängen des Tautenburger Forstes unweit Jena im Kiefernwalde verwildert vor.

Blüthezeit: April—Juni.

Anwendung: Der süsslich - bittere Wurzelstock war früher als Rad. Paeonia officinell, lässt sich aber nicht gut aufbewahren, weil er trocken einen Theil seiner Kräfte verliert und dann sich fast unwirksam zeigt. Noch mehr ist das mit den Blättern der Fall. Immer jedoch behauptet sie noch eine Stelle in den Gärten, namentlich in grosseren Parkanlagen, wo man sie halbgefüllt zieht.


Abbildungen.

Tafel 1090 I. Paeonia peregrina Mill. ABC Theile der Pflanze in ½ der nat. Grösse; l Früchte, nat. Grösse.

Tafel 1090 II. Paeonia officinalis auct. AB Theile der Pflanze in ½ der nat. Grösse; l Staubgefäss, vergrössert; 2 Früchte, nat. Grösse.