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Buch des Monats
 Februar 2000

Besler, Basilius (1561-1629):

Hortus Eystettensis. Eichstätt (1712-) 1750
Sign.: 1938 C 25
 

Nicolas Barker, ehemals Bibliothekar an der British Library in London, hat dem Hortus Eystettensis 1994 eine gründliche Studie gewidmet. Er nennt darin Beslers Werk "The greatest botanical picture book ever created".

Allein schon die physische Erscheinung des Buches ist beeindruckend: Es mißt 54 x 45 x 13 cm und wiegt 14 Kilogramm. Ein komplettes Exemplar umfaßt 367 großformatige Kupfertafeln mit dem zugehörigen beschreibenden Text auf der jeweiligen Gegenseite.

Im Titel des Buches kommt bereits zum Ausdruck, daß es sich um die Darstellung eines Gartens in Eichstätt handelt. Die prachtvolle Ausgestaltung des Werkes läßt keinen Zweifel daran, daß es der Garten eines Fürsten sein muß.

Gehen wir einen großen zeitlichen Schritt zurück. 739 wurde der angelsächsische Benediktiner Willibald von Papst Gregor III. zur Mission nach Deutschland geschickt. 741 weihte ihn Bonifatius zum Bischof. Willibald war der erste Bischof des neu errichteten Bistums Eichstätt. Dort liegt er auch begraben. 1351 wurde von Bischof Berthold (reg. 1351-1365) eine erste Burg angelegt, der Vorläufer der heutigen Willibaldsburg. Die bedeutendste Figur in der langen Reihe der Eichstätter Fürstbischöfe war Johann Conrad von Gemmingen (reg. 1594-1612). Unter ihm wurde die Burg, unter Hinzuziehung des Augsburger Baumeisters Elias Holl, in ein Fürstenschloß umgestaltet. Der "Gemmingenbau" zählt heute zu den beeindruckendsten Bauten der deutschen Renaissance. Die Renaissancefürsten waren große Förderer der Wissenschaften. In dieser Zeit entstanden bedeutende Bibliotheken, Naturaliensammlungen (Wunderkammern), aber auch prächtige Gärten. Und damit wären wir wieder bei unserem Hortus Eystettensis, dem Eichstätter Garten, angelangt.

Der große Züricher Universalgelehrte Conrad Gessner entwirft in seiner Schrift "Horti Germanici" (1561) eine Typologie der Gärten. 1. Nutzgärten (Horti utiles). 2. Medizinalgärten (Horti medicinales). 3. Mischgärten (Horti varii). 4. Elegante Gärten (Horti elegantes). 5. Hervorragende Gärten (Horti magnifici). Die Gärten des Mittelalters waren meist Nutzgärten oder, vor allem in Klöstern, Medizinalgärten. In der italienischen Renaissance entstand der Lustgarten als Repräsentationsobjekt. Zu den berühmtesten Renaissancegärten zählen der Garten des Erzherzogs Ferdinand von Tirol auf Schloß Ambras, der Garten Kaiser Maximilians II. in Wien (angelegt von dem namhaften Botaniker Carolus Clusius) und der Garten von Landgraf Wilhelm IV. von Kassel (angelegt von Joachim Camerarius II.)

Der Fürstbischof Johann Conrad von Gemmingen, seit 1694 in Amt und Würden, beschloß, angeregt durch diese Vorbilder, unterhalb seines Schlosses gleichfalls einen Lustgarten zu errichten. Er hat sich dabei gewiß von dem Nürnberger Arzt und Botaniker Joachim Camerarius II. beraten lassen. Da dieser jedoch schon 1598 starb, war der Fürstbischof auf einen neuen Helfer angewiesen. Den fand der in dem Nürnberger Apotheker Basilius Besler (1561-1629). Von Besler stammt die Idee zu einer Buchpublikation über den Eichstätter Garten.

Über die Entstehungsgeschichte von Buch und Garten sind wir durch Philipp Hainhofer, einen dem Augsburger Patriziat entstammenden Kunstsammler und -agenten, gut informiert. Er sollte im Auftrag Herzog Wilhelms V. von Bayern Gemmingen um Abbildungen von Tieren, Pflanzen und Kräutern bitten. Gemmingen schreibt darauf am 1.5.1611 an den Herzog: "so vil aber allerley blumen und gartengewächss anlangt, ist gleich wohl nit ohne, daß Ich ein Zeit hero (wass inn meinem wenig engen gärtlein observiert worden) hab abcopieren lassen, welches Ich aber dissmals nit bey handen, sondern nach Nürnberg versandt habe, alda Sie inn kupfer gestochen werden sollen, und villeicht mittler weil inn truckh aussgehn möchten jnn form und gestalt, wie E. Gn. hiebey ligendts zu ersehen."

Im Gespräch mit Hainhofer schildert Gemmingen seine Beziehung zu dem Nürnberger Apotheker Basilius Besler: "Allda mich ein Apothecker, so mir meinen garten helffen aufrichten und mit blumen vermehren, darumben gebetten, der es will inn kupfer abstechen, truckhen, mir dedicieren, und also seinen Ruhm und profitt damit suchen." Hainhofer beschreibt die von ihm besichtigten Gärten: "da wir dann wol inn acht gärten umb dass Schloss herumb, welches auf Felsen ligt ... gangen, welche alle unterschidlich von Ländern, von partimenti, von blumenwerckh, sonderlich von schönen Rosen, Lilien, tolepon ... theils mit gemahlten Säälen und lust Zimmern gezieret sein."

Eine Stelle in Hainhofers Text gibt uns einen interessanten Einblick in den Entstehungsprozeß des Tafelwerkes: Er habe von Gemmingen erfahren, "dass der Beseler-Apotheckher inn Nürnberg eben mit dem buch in volliger arbeit seye, dass Ihre Frstl. Gn. es verlegen, wochentlich eine oder zwo Schachteln voll frischer blumen zum abconterfetten hinein schickhen, wie Sie denn inn die fünfhunderterley farben tolopani immer underschidlich haben, und dises buch inn die 3000 fl. Kosten werde."

Das verlegerische Risiko der ersten Auflage von 1613 lag beim Bischof. Besler war der Projektleiter. Er organisierte die Künstler und überwachte den Druck. Nürnberg war der ideale Platz. Es gab dort seit Dürers Zeiten eine große Anzahl hochtalentierter Maler, Stecher, Drucker und Koloristen. Die Vorzeichnungen zu den 367 Kupferplatten haben sich im Nachlaß des Arztes und Naturforschers Christoph Jacob Trew erhalten und liegen heute in der Universitätsbibliothek Erlangen. Von Anfang an waren zwei unterschiedliche Ausgaben vorgesehen, eine kostbare, einseitig bedruckte Ausgabe, die Gemmingen als fürstliches Geschenk verwenden wollte, und eine "Buchhandelsausgabe" für das Fachpublikum. Die kostbare Ausgabe wurde nur in kleiner Stückzahl hergestellt und meist koloriert, die "billige" Ausgabe hatte eine Auflage von etwa 300 Ex.

Gemmingen sollte das Erscheinen des "Hortus Eystettensis" nicht mehr erleben. Er starb am 7.11.1612. Bis zu seinem Tod hatte er die beträchtliche Summe von 7.500 Gulden für die Herstellung aufgewandt. Die Gesamtkosten für die Eichstätter fürstbischöfliche Kasse beliefen sich auf 18.000 Gulden. Zum Vergleich: Der Apotheker Besler erwarb 1616 ein stattliches Haus in Nürnberg für 2.500 Gulden. Zur Charakterisierung der Finanzkraft des Fürstbistums Eichstätt sei noch erwähnt, daß Gemmingen für den Eichstätter Dom eine Rebstock-Monstranz mit 1400 Perlen, 350 Diamanten, 250 Rubinen und anderen Edelsteinen anfertigen ließ, die seinerzeit auf 150.000 Gulden geschätzt wurde!

Ein Exemplar der Buchhandelsausgabe kostete damals zwischen 35 und 48 Gulden, ein koloriertes Exemplar rund 500 Gulden. Ein bischöflicher Gärtner erhielt, zuzüglich zu Kost und Logis, ein Gehalt von 60 Gulden im Jahr.

Die Druckplatten gingen erst nach Beslers Tod (1629) wieder an Eichstätt zurück. Dort wurde 1640 eine neue Auflage veranstaltet. Zum hundertjährigen Jubiläum des "Hortus Eystettensis" plante Fürstbischof Johann Anton I. Knebel von Katzenellenbogen eine weitere Neuauflage (Auflagenhöhe um die 200 Exemplare). 1712 bekam jeder Domkapitular ein Exemplar. Die restlichen Rohbögen dieser Auflage wurden erst 1750 aufgebunden und in den Buchhandel gebracht. Der Absatz war allerdings sehr zäh. Das Buch war nicht mehr auf dem Stand der Wissenschaft. 1805 versuchte man, durch Beigabe eines Registers nach Linnéschem System den Verkauf anzukurbeln. Ohne Erfolg. 1820 wurden die letzten 100 Exemplare in Eichstätt zum Altpapierpreis verkauft. Die Druckplatten wurden gleichzeitig in der königlichen Münze in München eingeschmolzen

Und was wurde aus dem Garten selbst? Gemmingens Nachfolger, Johann Christoph von Westerstetten, führte den Garten weiter. Im Dreißigjährigen Krieg wurde das Schloß zwar zeitweilig besetzt (1633), der Garten trug aber keine nennenswerten Schäden davon. Johann Anton I. Knebel von Katzenellenbogen (reg. 1705-1725) war der letzte Fürstbischof, der sich vorwiegend auf der Willibaldsburg aufhielt. Der Hofrat Heusler schreibt noch 1716, der Fürst hätte den Garten "mit neuen und auserlesenen Raritäten" zieren lassen.

Johann Antons Nachfolger zogen in die Eichstätter Residenz um. Auf dem Schloß wohnte nur noch das Militär. Der Garten wurde zum Nutzgarten. 1741 bezog die Eichstätter Hof- und Stadtapotheke von dort ihre Kräuter. Der Herausgeber der letzten Ausgabe von 1750, Johann Georg Starckmann (Sthenander) schreibt im Vorwort, der Garten sei "durch die Schäden der Zeiten und des Kriegs schon längst verwüstet und ganz und gar zugrunde gerichtet" worden. 1795 wurde die Gärtnerstelle auf der Willibaldsburg eingespart.

Ich möchte nun noch kurz das kulturelle Umfeld des "Hortus Eystettensis" zur Zeit seines ersten Erscheinens 1613 skizzieren. Bis zum Ende des 15. Jh. war Botanik gleichbedeutend mit Heilpflanzenkunde. Man orientierte sich eng an der antiken Überlieferung. Nur einige wenige (Hildegard von Bingen, Albertus Magnus) betrachteten unmittelbar die Natur. Das änderte sich in der ersten Hälfte des 16. Jh. Mit den deutschen Vätern der Botanik (Otto Brunfels, Hieronymus Bock, Leonhart Fuchs) entwickelte sich die wissenschaftliche Botanik. Die Pflanzen wurden unabhängig von der antiken Tradition und unabhängig von ihrem praktischen Nutzen studiert. Die Fragen nach ihrer Systematik, Anatomie und Fortpflanzung wurden diskutiert. Die Abbildungen wurden nach der Natur gefertigt und erreichten einen hohen qualitativen Standard.

Ebenfalls im 16. Jh. begannen sich die Künstler für die Darstellung von Pflanzen zu interessieren. 1562 malte Ludger tom Ring das erste reine Blumenstilleben. Um 1600 war die Blumenmalerei zu einer eigenständigen Kunstgattung geworden (Blumen-Breughel!)

Ein weiterer bedeutsamer Wandel vollzog sich auf dem Gebiet der Drucktechnik. Hatte Dürer den Holzschnitt noch zur Perfektion geführt, kam dieser um 1600 ganz aus der Mode. Man hatte sich an ihm abgesehen. Außerdem wollten sich die reichen Leute vom Volk und seiner populären Holzschnittgraphik absetzen. Die Zeit des Kupferstichs war gekommen. Zwar gab es schon Mitte des 16. Jh. vereinzelt Kupferstichwerke, aber den eigentlichen Durchbruch brachte erst die Werkstätte der de Brys im Frankfurt der 90er Jahre.

Gemmingen macht nun bei seinem Buchprojekt von diesem neuen, "modischen" Druckverfahren Gebrauch. Das Besondere am "Hortus Eystettensis" ist, daß mit ihm zugleich ein absoluter Höhepunkt botanischer Illustration erreicht wurde. Die lebensgroßen Kupferstiche, auf Papier im Format Royal gedruckt, haben eine unglaubliche Ausstrahlung, auch wenn manche Blätter auf uns etwas überladen wirken. Man bedenke aber: Wir befinden uns in der Epoche des Manierismus!

Gemmingen war kein Wissenschaftler, ihm ging es bei Garten und Buch um fürstliche Repräsentation. So maß er dem Text auch kein großes Gewicht bei. Besler wiederum war kein Botaniker, sondern Apotheker. Der Aufgabe, einen wissenschaftlichen Begleittext zu liefern, wäre er nicht gewachsen gewesen. Deshalb beschränkte er sich darauf, für jede Pflanze die Fundstelle in der Fachliteratur anzugeben (Camerarius, Clusius, Bauhin, Fuchs, Tabernaemontanus, Lobelius usw.) Außerdem fügte er noch die deutsche Bennennung hinzu. Man weiß heute, daß der Altdorfer Botanikprofessor Ludwig Jungermann, ein Neffe des Camerarius, am Text mitgewirkt hat. Besler unterließ es aber, seinen Helfer im Vorwort zu erwähnen.

Beim Betrachten des "Hortus Eystettensis" fällt einem sofort die Vielzahl der Tulpen und anderer Zwiebelgewächse ins Auge. Auch dies läßt sich leicht aus der Geschichte erklären. Die Habsburger waren für die Gartenkunst sehr aufgeschlossen. Kaiser Maximilian II. beauftragte im Jahre 1573 den berühmten Botaniker Carolus Clusius, in Wien einen botanischen Garten anzulegen. Der Wiener Hof unterhielt gute Beziehung zum türkischen Sultan. Der damalige Gesandte, Ogier Ghiselin de Busbecq, brachte neben der berühmten Dioskurides-Handschrift ("Wiener Dioskurides") auch zahlreiche Zwiebelgewächse aus dem Orient mit nach Wien zurück. Von Wien aus traten diese dann ihren Siegeszug durch die Gärten ganz Europas an. Es entwickelte sich, besonders in Holland, eine wahre Tulpomanie, und Sammler zahlten Unsummen für neue Züchtungen. Zu diesen Sammlern gehörte auch Gemmingen.

Joseph Schwertschlager hat in seiner Studie von 1890 die Pflanzen im "Hortus Eystettensis" gezählt. Er kam auf 1084 Einzelabbildungen. Davon sind aber nur 653 wirkliche Spezies, die anderen sind bloße Füllungs- und Farbvarietäten, 49 allein von den Tulpen. Das Werk zeigt 349 deutsche, 209 süd- und südosteuropäische, 63 asiatische, 9 afrikanische und 23 amerikanische Arten. Der "Hortus Eysttensis" gibt also den Stand vor dem eigentlichen Einbruch der überseeischen Flora wieder.

Ein Garten ist ein flüchtiges Ding. Darum ist es ein großer Glücksfall, daß dem berühmten Eichstätter Garten Johann Conrad von Gemmingens in Form des "Hortus Eystettensis" ein bleibendes Denkmal gesetzt wurde. Ein Glücksfall ist es auch, daß unsere Bibliothek im Jahre 1938 bei einem Münchner Antiquar noch ein Exemplar für 97.75 RM erwerben konnte. Es kommt zwar auch heute noch fast jedes Jahr ein Exemplar in den Handel, aber zu einem Preis, der unsere Erwerbungsmittel für beinahe ein Jahr aufzehren würde.

Kurz noch ein Wort zum Aufbau des "Hortus Eystettensis". Das Werk ist in vier Jahreszeitengruppen gegliedert. Diese Gruppen zerfallen wieder in "Ordines" (Frühling: Ordo 1-9. Sommer: Ordo 1-14. Herbst: Ordo 1-4. Winter: Ordo 1). Jede Ordo umfaßt zwischen 7 und 18 Tafeln. Eine Tafel zeigt bis zu 6 Einzelpflanzen. Der Kaiserkrone ist sogar eine Doppeltafel gewidmet! Die Pflanzen werden durch Register nach lateinischer und deutscher Benennung erschlossen. Zu jeder Tafel gibt es eine Textseite in lateinischer Sprache mit knappster Charakteristik, Hinweisen auf Fundstellen in der botanischen Fachliteratur und Angabe der gebräuchlichen deutschen Namensform.

Fürstbischöfe entsprechen nicht mehr unserer Vorstellung von einem Seelenhirten. Es ist schwer zu sagen, wie es um das religiöse Empfinden Gemmingens bestellt, von welcher Art sein Glaube war. Wen der Weg nach Eichstätt führt, der mag sein Grabmal im Dom besuchen. Der Renaissancekünstler Hans Krumpper hat ihn in Lebensgröße dargestellt, auf dem Sarkophag ruhend und in die Betrachtung eines Kruzifixes versunken.

Wir wollen mit einem wundervollen Spruch von Angelus Silesius schließen:

Die Rose, welche hier dein äußres Auge sieht, die hat von Ewigkeit in Gott also geblüht.

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